Auf dieser Seite finden Sie aktuelle Mandanteninformationen. Wenn Sie recherchieren oder ältere Ausgaben betrachten möchten, können Sie hier unser Archiv aufrufen.
Erben ausfindig zu machen, stellt Nachlassgerichte regelmäßig vor Herausforderungen. Was passiert, wenn sich auf die Angaben des Erblassers über mögliche Abkömmlingen verlassen wird, und ob die Einschaltung eines Erbenermittlers obligatorisch ist, musste hier das Oberlandesgericht Braunschweig (OLG) bewerten.
Ein zunächst unbekannt gebliebener Erbe vertrat in einem Rechtsstreit die Ansicht, dass das Nachlassgericht zum Zweck der Erbenermittlung einen professionellen Erbenermittler hätte einschalten und Anfragen an die Heirats-, Sterbe- und Geburtsregister von verschiedenen Standesämtern hätte stellen müssen. Der Erblasser selbst hatte zu Lebzeiten angegeben, dass außer einer bereits vorverstorbenen Tochter keine weiteren Abkömmlinge vorhanden seien. Tatsächlich hatte das Nachlassgericht aber doch verschiedene Erben ermittelt, die alle die Erbschaft nach dem Erblasser ausgeschlagen haben.
Das OLG hat in seiner Berufungsentscheidung klargestellt, dass sich der Umfang der Prüfungspflicht des Nachlassgerichts an den Umständen des Einzelfalls orientiert. Es bestehe aber keine generelle Verpflichtung zur Einschaltung eines professionellen Erbenermittlers, ebenso wenig wie eine generelle Verpflichtung, Anfragen bei allen Standesämtern zu stellen, in deren Einzugsbereich sich der Erblasser während seines Lebens für einige Zeit aufgehalten hat.
Hinweis: Die Einschaltung eines Erbenermittlers kann im Einzelfall geboten sein, wenn beispielsweise der Nachlasspfleger nicht über die erforderlichen Kenntnisse verfügt und andernfalls seine ihm gestellten Aufgaben nicht erfüllen kann.
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 01/2021)
Erben steht die Verwaltung eines Nachlasses nur gemeinschaftlich zu. Dabei ist jeder seinen Miterben gegenüber verpflichtet, an Maßnahmen mitzuwirken, die zur ordnungsgemäßen Verwaltung notwendig sind. Wenn Maßnahmen der Nachlasserhaltung dienen, kann ein Miterbe ausnahmsweise auch ohne Mitwirkung der anderen Entscheidungen treffen. Ob und wann einem Miterben den anderen gegenüber die anteilige Kostenerstattung für die Erteilung eines Erbscheins zusteht, obwohl diese zum Zeitpunkt der Antragstellung kein Einverständnis hierzu erteilt hatten, musste im Folgenden der Bundesgerichtshof (BGH) klären.
Der BGH stellte zunächst klar, dass die Beantragung eines Erbscheins kein Fall ist, der zur ordnungsgemäßen Verwaltung eines Nachlasses generell erforderlich ist. Dabei stellte er jedoch heraus, dass es auch abseits der hierbei geltenden Vorschriften Ansprüche eines Miterben auf Aufwendungsersatz geben kann. Solche ergeben sich aus den Regelungen über die sogenannte "Geschäftsführung ohne Auftrag", die durch die erbrechtlichen Sonderregelungen nicht ausgeschlossen werden. Obwohl dieser Anwendungsbereich also grundsätzlich möglich ist, hat der BGH hier eine Kostenübernahmeverpflichtung abgelehnt, da zum Zeitpunkt des Erbscheinsverfahrens kein zwingender Grund dafür vorgelegen habe, den Erbschein zu beantragen. Insbesondere bestand zu diesem Zeitpunkt noch keine Notwendigkeit, die Berichtigung eines Grundbuchs durchzuführen.
Hinweis: Hätte beispielsweise das Grundbuchamt ein Zwangsberichtigungsverfahren nach dem Tod des Erblassers eingeleitet, hätte die kostenverursachende Miterbin auf der Grundlage dieser Entscheidung des BGH ihre Kosten nach den Regelungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag voraussichtlich erstattet verlangen können.
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 01/2021)
Ausschlag für das Verfahren, das das Berliner Kammergericht (KG) hier zu bewerten hatte, gab ein Antrag auf Grundbuchänderung. Unrichtige Grundbucheintragungen können berichtigt werden, sobald durch eine öffentliche Urkunde die Unrichtigkeit nachgewiesen wird. Ob eine solche öffentliche Urkunde nach Versterben eines Berechtigten ein Erbschein sein muss oder auch ein Eröffnungsprotokoll ausreicht, war hier die Frage.
Im Urteilsfall hatten zwei Eheleute ein notarielles Testament errichtet, in dem eine sogenannte Scheidungsklausel besagte, dass die testamentarischen Verfügungen ihrem ganzen Inhalt nach unwirksam seien, sobald einer der Eheleute zu Lebzeiten eine Klage auf Aufhebung oder die Scheidung der Ehe beantragen würde. Nach dem Tod der Frau hatte der überlebende Ehemann eine Berichtigung des Grundbuchs beantragt und zu diesem Zweck das Eröffnungsprotokoll des Nachlassgerichts vorgelegt. Das Grundbuchamt hingegen verlangte die Vorlage eines Erbscheins. Zur Begründung führte es an, dass sich die Tatsache, dass die Ehe weder aufgelöst noch ein Scheidungsantrag eingereicht wurde, sich mit grundbuchtauglichen Mitteln nicht nachweisen ließe. Womöglich war das Testament ja doch unwirksam geworden?
Dem KG war dieser Einwand zu theoretisch. Es ist entgegen der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte (OLG) der Ansicht, dass ein Erbschein nur verlangt werden könne, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein Scheidungsantrag tatsächlich gestellt worden sei. Die allein abstrakte Möglichkeit unter Berufung auf statistische Erhebungen zu Scheidungsquoten reichen dem KG dabei nicht aus, um den Wert eines notariellen Testaments zu schmälern. Der Witwer konnte die Grundbuchänderung also mithilfe des Eröffnungsprotokolls beantragen, ohne einen gesonderten Erbschein vorlegen zu müssen.
Hinweis: Trotz Abweichung von Entscheidungen der OLG-Kollegen in München und Naumburg wurde die Rechtsbeschwerde mangels Beschwer des Beteiligten, dessen Rechtsmittel Erfolg hatte, vom KG nicht zugelassen.
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 01/2021)
Die Beteiligten eines Nachlassverfahrens - beispielsweise die Erben - haben ein Recht darauf, Einsicht in die gerichtlichen Nachlassakten zu erhalten. Personen, die nicht an dem Verfahren beteiligt sind, haben allerdings nur in engen Grenzen ein Akteneinsichtsrecht. Dies hat das Oberlandesgericht Köln (OLG) in einem Beschwerdeverfahren nochmals klargestellt.
Zur Begründung des Akteneinsichtsgesuchs hatte der am Verfahren nicht Beteiligte geltend gemacht, dass der vom Nachlassgericht eingesetzte Nachlasspfleger in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt einen strafrechtlich sanktionierten Parteiverrat begangen habe, als er nach Beendigung der Nachlasspflegschaft als Anwalt die rechtlichen Interessen einer an dem Verfahren Beteiligten übernommen habe. Zu diesem Zweck erwarte er aus der Akteneinsicht Erkenntnisse darüber, ob der Nachlasspfleger dieses Amt in seiner besonderen Stellung als Rechtsanwalt ausgeübt und ob er insbesondere im Zusammenhang mit der Abrechnung seiner Gebühren als Nachlasspfleger auf seine besonderen Kenntnisse als Rechtsanwalt verwiesen habe.
Sowohl das Nachlassgericht als auch das OLG haben das Akteneinsichtsgesuch zurückgewiesen, da auch letztinstanzlich nicht zu erkennen sei, welche Erkenntnisse der Antragsteller gewinnen möchte, die nicht ohnehin bekannt seien. Die Bestellung des Nachlasspflegers erfolgte ausdrücklich unter Berücksichtigung von dessen Stellung als Rechtsanwalt. Darüber hinaus kann ein Nachlasspfleger gegenüber dem Nachlassgericht lediglich nur jene Tätigkeiten abrechnen, die er in seinem Amt als Nachlasspfleger ausgeübt hat - unabhängig davon, ob er Rechtsanwalt ist oder nicht. Auch hieraus ergeben sich für den Antragsteller keine neuen Erkenntnisse.
Hinweis: Bestellt ein Nachlassgericht einen Rechtsanwalt wegen seines Berufs zum Nachlasspfleger, stehen sowohl die Nutzbarkeit seiner Fachkenntnisse als auch seine besondere Qualifikation außer Zweifel.
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 01/2021)
Miterben sind gesetzlich nur dazu berechtigt, Ansprüche der Erbengemeinschaft mit Wirkung für die gesamte Erbengemeinschaft geltend zu machen. Hat ein Miterbe einen solchen Vollstreckungstitel erworben, schließt sich die Frage an, ob dieser Miterbe auch alleine dazu berechtigt ist, die Zwangsvollstreckung durchzuführen. Eine Antwort darauf zu finden, war im Folgenden Aufgabe des Bundesgerichtshofs (BGH).
Nach dem Tod des Erblassers fand eine Zwangsversteigerung eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks zur Aufhebung der Erbengemeinschaft statt. Mit Beschluss des Amtsgerichts (AG) wurde festgestellt, dass der Erbengemeinschaft gegen einen der Söhne des Erblassers noch eine Forderung aus dem Verteilungsverfahren von ca. 150.000 EUR zusteht. Über diese Forderung der Erbengemeinschaft hat das AG dem Enkel des Erblassers, der ebenfalls zur Erbengemeinschaft gehörte, eine vollstreckbare Ausfertigung des Zuschlagsbeschlusses erteilt. Der Sohn des Erblassers und Schuldner der Forderung wendete sich erfolglos gegen die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung der amtsgerichtlichen Entscheidung.
Der BGH hat im Wege einer Rechtsbeschwerde entschieden, dass das AG die vollstreckbare Ausfertigung der Entscheidung zu Recht zugunsten des Miterben erteilt hat. Dies sei eine zwangsläufige Konsequenz aus der gesetzlichen Befugnis des Miterben, alleine einen Titel gegen den Schuldner zugunsten der Erbengemeinschaft zu erstreiten. Es entspreche dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, dass es jedem Miterben möglich sein soll, unabhängig von den weiteren Miterben einen zum Nachlass gehörenden Anspruch einzufordern, einzuklagen und im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen. Sollten mehrere Miterben jeweils gesondert für sich eine Ausfertigung des Vollstreckungstitels über die gesamte Forderung beantragen, würde der Schuldner nämlich ausreichend dadurch geschützt, dass er im Wege einer Vollstreckungsgegenklage geltend machen kann, die Forderung bereits gegenüber einem Miterben erfüllt zu haben.
Hinweis: Mit dieser Entscheidung wird ein Streit in der Rechtsprechung darüber beendet, ob der Miterbe eine vollstreckbare Ausfertigung verlangen kann, die ausschließlich ihn als Vollstreckungsgläubiger ausweist.
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 01/2021)
Insbesondere Besserverdienende lassen sich nach Trennung nicht gern in die Karten schauen, um Auskunft über ihre Einkommensverhältnisse zu erteilen. Ob es bei der Mitwirkungspflicht zur Unterhaltsberechnung ein Schlupfloch gibt, musste im Folgenden der Bundesgerichtshof (BGH) untersuchen.
Ein Vater, der Unterhalt für seine minderjähige Tochter zu zahlen hatte, erklärte, er sei unbegrenzt leistungsfähig. Aus diesem Grund gebe es in seinen Augen auch keinen Anlass, über seine Einkommenssituation dezidiert Auskunft zu erteilen. Doch die Tochter, die durch die Mutter vertreten wurde, beharrte durchaus darauf.
Der BGH gab dem Antrag der Tochter statt, dass der Vater Auskunft zu erteilen habe. Durch seine Erklärung, unbegrenzt leistungsfähig zu sein, verbaue sich der Vater zwar die Möglichkeit, mutmaßlich überhöhten Unterhalt zahlen zu müssen. Damit sei aber nicht geklärt, wie hoch der Bedarf des Kindes tatsächlich sei. Den könne das Kind nicht beliebig bestimmen und ansetzen. Vielmehr sei zu sehen, dass der Bedarf eines Unterhaltsberechtigten sich nach dessen Lebensstellung richte. Da ein Kind vor Abschluss einer Ausbildung jedoch noch keine eigene Lebensstellung habe, sondern sich diese von der seiner Eltern ableite, richte sich diese im Wesentlichen nach dem elterlichen Einkommen.
Hinweis: Keine Auskunftspflicht besteht letztlich erst dann, wenn der Unterhaltspflichtige nicht nur erklärt, unbeschränkt leistungsfähig zu sein, sondern auch, den Unterhalt in der geforderten Höhe ohne Kürzung zu zahlen. Einen solchen "Persilschein" wird jedoch kein Pflichtiger ohne weiteres ausstellen.
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 01/2021)
Wird jemand von einem anderen bedrängt oder belästigt, kann dem Verhalten über das Gewaltschutzgesetz (GewSchG) ein Riegel vorgeschoben werden. Da dieses Mittel naturgemäß dringlich sein kann, wird der Erlass in Form einer einstweiligen Anordnung beantragt. Ob und wie genau die erforderlichen Nachweise zu führen sind, zeigt das Oberlandesgericht Brandenburg (OLG) mit seinem folgenden Urteil auf, das eine Entscheidung der Vorinstanz auf dem Prüfstand hatte.
Ein Mann äußerte Morddrohungen gegenüber einer Frau, mit der er ein gemeinsames Kind hat. Die Frau beantragte sofort Schutz nach dem GewSchG dahingehend, dass der Mann nicht in ihre Nähe kommen und sie überhaupt nicht kontaktieren dürfe. Zum Beweis der Bedrohungssituation gab sie eine eidesstattliche Versicherung ab, in der sie im Einzelnen erklärte, was sich zugetragen habe. Das damit betraute Amtsgericht (AG) entsprach ihrem Antrag, erließ also im Wege der einstweiligen Anordnung die entsprechenden Unterlassungsgebote.
Ihre Behauptungen zum Verhalten des Mannes hatte die Frau zwar nicht ausdrücklich nachgewiesen, sondern über die eidesstattliche Versicherung lediglich glaubhaft gemacht. Doch das genügte - denn im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei es vorerst nicht erforderlich, das Gericht in Gänze zu überzeugen. Es genüge, wenn bei Würdigung des gesamten Verfahrensstoffs eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, dass stimme, was über die eidesstattliche Versicherung an Tatsachen vorgetragen werde. Deshalb beanstandete es das OLG als Nachfolgeinstanz auch nicht, dass die eidesstattliche Versicherung dem AG für den Erlass des Kontaktverbots ausreichend erschien.
Hinweis: Die Frau hatte den Vorfall zudem auf Handy festgehalten. Das Gericht sah und hörte sich die entsprechende Aufzeichnung jedoch nicht an, weil es das nicht für nötig erachtete. Denn die Besonderheit war hier, dass sich der Vorfall sich in der allgemeinen Öffentlichkeit zugetragen hatte und die Frau dem Mann auch erklärt habe, sie werde das alles aufnehmen. Dennoch sei gewarnt vor diesem zunehmend festzustellenden Verhalten: Ein solches ist im Regelfall strafbar.
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 01/2021)
Minderjährige Kinder haben einen Anspruch auf Unterhalt, der in den meisten Fällen von einem Elternteil in Form der tatsächlichen Betreuung, vom anderen in Form von Barunterhalt zu leisten ist. Was gilt, wenn der Elternteil, der Unterhalt zahlen muss, wenig verdient, hat das Amtsgericht Bergheim (AG) im folgenden Fall klargestellt.
Der barunterhaltspflichtige Vater des bei der Mutter lebenden Kindes arbeitete als ungelernte Küchenhilfe und wurde als "Springer" eingesetzt. Er kam bei einem Bruttostundenlohn von 10 EUR auf durchschnittlich 130 Stunden pro Monat. Das jedoch reiche seiner Ansicht nicht aus, um Unterhalt zahlen zu können. Mehr verdiene er nicht, da er nicht nur keine Ausbildung habe, sondern auch schlecht Deutsch spreche. Eine Nebentätigkeit könne er nicht aufnehmen, da er als Springer nicht wisse, wann er eingesetzt werde.
Das AG schloss sich der Ansicht des Mannes jedoch nicht an. Statt auf diese tatsächlichen Einkünfte stellte es darauf ab, was der Vater verdienen könnte. Nach dem Arbeitszeitgesetz seien bis zu 48 Stunden Arbeit pro Woche zumutbar. Pro Monat seien demnach 173 Stunden üblich und zudem ein Mindestlohn gesetzlich vorgeschrieben. Dazu komme gegebenenfalls noch die Möglichkeit eines Nebenjobs mit 450 EUR, den der Vater aufzunehmen habe. Mangelnde Deutschkenntnisse ließ das Gericht nicht geltend. Wenn er wegen des Einsatzes als Springer keinen Nebenjob ausüben könne, müsse er sich eine andere Arbeitsstelle suchen und antreten - beispielsweise auf dem Bau.
Hinweis: Ob und inwieweit ein Arbeitsplatzwechsel und die Aufnahme einer Nebentätigkeit möglich sind, müsse dabei nicht das Kind näher ausführen und beweisen. Solange - wie hier - nur der Mindestunterhalt gefordert wird, liegt es vielmehr am Vater, den Nachweis zu führen, nicht ausreichend verdienen zu können, um diesen zahlen zu können.
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 01/2021)
Trennen sich Ehegatten, wird in aller Regel neuer Wohnraum benötigt. Haben sie Grundbesitz, der aber vermietet ist, kann verständliches Interesse daran bestehen, dem Mieter zu kündigen, um die Fläche selbst zu nutzen. Dabei können sich besondere Fragen ergeben. Der Bundesgerichtshof (BGH) war deshalb damit beschäftigt, den Begriff der Familienzugehörigkeit klarzustellen, der vermieterseitig bei Eigenbedarfskündigungen Besonderheiten innehält.
Ein Ehepaar bewohnte seit Juli 2001 ein gemietetes Haus, dessen Vermieter es im September 2015 an seinen Sohn und dessen Frau verkaufte. Die beiden neuen Eigentümer lebten zwar bereits seit 2013 getrennt, wurden dann aber erst im Juli 2016 geschieden. Im Mai 2016 kündigten sie den in dem Haus lebenden Mietern zum Ende Februar 2018 und machten Eigenbedarf geltend. Die geschiedene Frau wolle nun mit den gemeinsamen Kindern und ihrem neuen Lebenspartner in das Haus ziehen, vor allem auch, weil es die Kinder dann deutlich näher zu ihrer Schule hätten.
Der Eigenbedarf sei zwar auch aus Mietersicht nicht zu beanstanden, doch beide machten geltend, dass ihnen wegen der Übertragung der Immobilie durch den ehemaligen Vermieter auf den Sohn und dessen (mittlerweile geschiedene) Frau eine dreijährige Kündigungssperre zur Eigenbedarfskündigung zustünde. Dagegen wandten die jetzigen Vermieter ein, dass diese Frist nur im Normalfall gelte. Da es sich hier aber um dieselbe Familie handelte, innerhalb derer die Immobile im Eigentum wechselte, entfalte diese Sperre keine Geltung. Doch dagegen - man ahnt es - warfen die gekündigten Mieter ins Feld, dass dies nach der Scheidung von der Frau nicht mehr der Fall sei.
Falsch, so der BGH. Bei der Familienzugehörigkeit verhält es sich nämlich wie beim Zeugnisverweigerungsrecht in Prozessen. Wenn es einmal besteht, geht es nicht mehr verloren - nicht durch Trennung und auch nicht durch Scheidung. Wegen der damals bestehenden Ehe gehörten sowohl die aktuelle Vermieterin als auch der ehemalige Vermieter zur selben Familie. Deshalb bestand auch kein dreijähriger Kündigungsschutz nach der Veräußerung. Die Mieter mussten gehen, wobei der BGH ihnen eine Räumungsfrist bis Ende 2021 einräumte.
Hinweis: Der Fall zeigt, wie diffizil es auch dann werden kann, wenn bei den sich trennenden Ehegatten selbst eine seltene Einigkeit besteht.
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 01/2021)
Leben Kinder in einer Pflegefamilie, übernehmen die Pflegeeltern gewissermaßen die Rechte und Pflichten von Eltern auf Zeit. Dass sich bestimmte Fragen erst nach einiger Zeit stellen und deren Beantwortung vor allem auch langfristige Folgen haben kann, zeigt in Sachen Mitspracherechte der leiblichen Eltern der folgende Fall des Oberlandesgerichts Zweibrücken (OLG).
Das seit einem Jahr in einer Pflegefamilie lebende Kind mit unbekanntem Vater pflegte zu seiner leiblichen Mutter keinen Kontakt, jedoch zu seiner Großmutter. Eben diese Oma gehörte dem griechisch-orthodoxen Glauben an und bestand nun darauf, das Kind entsprechend taufen lassen. Das stieß nicht nur beim konfessionslosen Pflegevater auf Ablehnung - auch die Kindesmutter sprach sich dagegen aus und machte geltend, eine Glaubenszugehörigkeit solle das Kind später selbst entscheiden dürfen. Doch auf Geheiß der Großmutter beantragte das Jugendamt bei Gericht die Genehmigung, das Kind griechisch-orthodox taufen zu lassen.
Ist die elterliche Sorge über ein Kind einem Vormund oder Pfleger übertragen, muss eine Taufe gerichtlich genehmigt werden. Maßgeblich ist für die Entscheidung das Kindeswohl. Wenn danach die familiäre Situation in der Pflegefamilie wesentlich von der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft geprägt ist und das Kind dauerhaft in der Pflegefamilie lebt, kann die Taufe angemessen und richtig sein, um eine Ausgrenzung zu verhindern. Das war hier aber laut OLG aber nicht der Fall. Denn in der Pflegefamilie war ohnehin nur ein Teil religiös - und selbst das auch nur in eher geringem Maße. Das OLG hat deshalb die Genehmigung auch verweigert.
Hinweis: Pflegeeltern haben oft Gewaltiges zu leisten und sind dennoch nur "Eltern auf Zeit". Für die grundlegenden Entscheidungen haben die leiblichen Eltern daher weiterhin ein Mitspracherecht. Dabei allen Interessen mit dem Blick auf das Kindeswohl im Vordergrund gerecht zu werden, ist nicht immer leicht.
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 01/2021)
Wer einen Handwerksbetrieb eröffnen möchte, muss darauf achten, ob für das betreffende Metier ein Meisterbrief unabdingbar ist. Ist dem so, muss insofern eine saubere Weste gewahrt werden - auch als leitender Angestellter. Wie das folgende Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz (VG) beweist, verbaut man sich bei Verstoß gegen diese Regelung schnell seine weiteren beruflichen Karriereschritte als Unternehmer.
Eine Frau hatte sechs Jahre als Gesellin in verschiedenen Friseursalons gearbeitet und konnte zudem eine vierjährige Tätigkeit als leitende Angestellte (Salonmanagerin) nachweisen. Als sie schließlich bei der Behörde eine Ausübungsberechtigung für das Friseurhandwerk beantragte, war der Schock groß: Die Behörde versagte ihr nämlich die begehrte Genehmigung - woraufhin die Friseurin klagte.
Die Klage hatte aber auch laut VG keine Aussicht auf Erfolg. Die zu erteilende Ausübungsberechtigung stand der Frau nämlich nicht zu. Denn in dem Zeitraum, in dem sie eine leitende Funktion innegehabt hatte, war der Betrieb mangels Beschäftigung einer Meisterin bzw. eines Meisters zu Unrecht in die Handwerksrolle eingetragen gewesen - und trotz Löschung aus selbiger weiterbetrieben worden. Deshalb hatte die Frau auch keinen Anspruch auf Erteilung der Ausübungsberechtigung. Denn sie hatte schlicht und ergreifend illegal in dem Frisörsalon gearbeitet.
Hinweis: Ob das Meisterwesen in Deutschland sinnvoll ist oder nicht, mag berechtigter Gegenstand von Diskussionen sein. Fakt ist aber, dass in einer ganzen Reihe von Handwerksberufen nach der derzeitigen Rechtslage ein Meister unabdingbar ist. Darauf sollten die Beteiligten achten.
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 01/2021)
Wenngleich auch bei den Gerichten vieles durch die Coronapandemie in langsamere Bahnen gelenkt werden musste, bestimmt genau dieses Thema die Schlagzahl von Eilanträgen und entspechend schnell zu treffenden Entscheidungen, viele mit keinem positiven Ergebnis für die Klagenden - doch im folgenden Fall des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) sah es dieses Mal ganz anders aus.
Der Inhaber eines Fitnessstudios in Bayern ging mit einem Eilantrag gegen die Regelung in der 8. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vor, die den Betrieb von Fitnessstudios vollständig untersagte. Und siehe da: Sein Eilantrag war erfolgreich.
Einrichtungen des Freizeitsports durften nach den seit dem 02.11.2020 geltenden Beschränkungen im Bereich der Freizeitgestaltung nur für den Individualsport und nur allein, zu zweit oder mit den Angehörigen des eigenen Hausstands genutzt werden. In Fitnessstudios war dies jedoch nicht erlaubt - sie mussten vollständig schließen. Diese Regelung benachteilige laut Ansicht der VGH-Richter die Fitnessstudios, ohne dass dies sachlich gerechtfertigt war. Die bayerische Regelung verstieß somit gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.
Hinweis: Die Richter waren der durchaus nachvollziehbaren Auffassung, dass auch Fitnessstudios aufhaben dürfen - zumindest solange Individualsport erlaubt bliebe.
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 01/2021)
Kennt man das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, dass die Schließung von Fitnessstudios bei gleichzeitiger Genehmigung von Individualsport gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt, fragt man sich: Was ist mit den Fitnessstudios in anderen Bundesländern? Der folgende Fall, der vor dem Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG) landete, gibt hierauf eine Anwort.
Eine GmbH, die in Köln und Umgebung insgesamt elf Fitnessstudios betrieb, ging gegen die nordrhein-westfälische Coronaschutzverordnung vom November 2020 vor. Sie machte geltend, die Regelung greife in rechtswidriger Weise in ihre verfassungsrechtlich geschützte Berufsausübungsfreiheit ein. Insbesondere stelle die Schließung der Fitnessstudios keine notwendige Schutzmaßnahme dar, da ihre bereits etablierten Hygiene- und Rückverfolgungskonzepte eine unkontrollierte Infektionsausbreitung verhinderten.
Die Richter des OVG sahen das in diesem Fall jedoch anders. Das Verbot von Freizeit- und Amateursport in Fitnessstudios trage zur beabsichtigten Kontaktreduzierung im Freizeitbereich bei. Die bestehenden Hygienekonzepte änderten nichts daran, dass in Fitnessstudios typischerweise eine größere Anzahl wechselnder Personen in geschlossenen Räumen zusammenkäme.
Hinweis: Warum dieses Urteil sich von den bayerischen Kollegen unterscheidet? Ganz einfach: Das Land Nordrhein-Westfalen nahm in seiner Teillockdownverordnung nur individuelle Sportarten aus, die man im Freien alleine, zu zweit oder ausschließlich mit Personen des eigenen Hausstands außerhalb geschlossener Räumlichkeiten von Sportanlagen betreiben kann. Gemeinschaftsräume und bereits solche Räume von Sportanlagen, die zum Umkleiden und zum Duschen durch mehrere gleichzeitig dienen, müssen geschlossen bleiben. Somit ist diese Maßnahme als gerechtfertigt anzusehen, da sie alle betreffenden Einrichtungen gleich behandelt.
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 01/2021)
Der Kampf um Gleichbehandlung ist für Menschen mit Behinderungen oftmals eine Schlacht an allen Fronten. Denn diese Welt ist nunmal von Menschen gemacht, die auf die Lebensumstände von Betroffenen zumeist nur von außen schauen. Dass jedoch nicht gleich jede gefühlte Ungleichbehandlung einer Diskriminierung im rechtlichen Sinne gleichkommt, zeigt der folgende Fall des Landgerichts München I (LG).
Ein fast zu 100 % erblindeter Mann, der Inhaber eines Schwerbehindertenausweises der Kategorie B war, buchte zwei Tickets für sich und seine Begleitperson für ein Fußballspiel über das Onlineportal einer Stiftung. Bei der Onlinebuchung musste er für das Ticket seiner Begleitperson 16,50 EUR entrichten, die er zunächst auch beglich, dann jedoch von dem Fußballverein zurückforderte. Schließlich verlangte er wegen einer Diskriminierung zudem Schmerzensgeld. Er meinte, dass der Verein Rollstuhlfahrer und Sehbeeinträchtigte nicht gleichbehandele. Während Rollstuhlfahrer für ihre Begleitperson ein Ticket für den Besuch eines Fußballspiels gratis erhalten könnten, habe er als Sehbehinderter für seine Begleitperson 16,50 EUR bezahlen müssen. Nun verlangte er knapp 2.000 EUR Schmerzensgeld, der Verein erstattete dem Mann jedoch lediglich die 16,50 EUR für das Ticket.
Das LG wies die Klage ab. Denn der Verein behandelte tatsächlich alle Begleitpersonen von Inhabern eines Behindertenausweises der Kategorie B gleich ohne Unterschied in der Art der Beeinträchtigung. Freikarten für Begleiter gäbe der Verein generell aber nur aus, wenn sie direkt bei der Geschäftsstelle des Vereins online oder analog bestellt werden und ein dort hinterlegtes Maximalkontingent noch nicht erschöpft sei. Diese Regelung für Freikarten gelte unterschiedslos für jede Person, die Inhaber eines Schwerbehindertenausweises der Kategorie B sei. Die bestehenden Einschränkungen - nach Buchungsart und Kontingent - seien nicht diskriminierend.
Hinweis: In diesem Fall hat der Fußballfan Pech gehabt. Eine Diskriminierung schied aus. Trotzdem sind eine ganze Reihe von Diskriminierungsklagen erfolgreich. Bei Fragen steht die Rechtskraft Ihres Vertrauens sicherlich zur Verfügung.
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 01/2021)
Bei aller Angst vor Infektionen und der gebotenen Vorsicht: Es sollte in den entscheidenden Stellen allgemeinhin bekannt sein, dass sowohl ein Bestimmtheitsgebot als auch ein Verhältnismäßigkeitsgebot bei der Verabschiedung von Maßnahmen zu beachten sind. Eine Missachtung dieser Bedingungen war Anlass für das Verwaltungsgericht Hannover (VG), einem Kläger zu seinem Recht zu verhelfen.
Der Mann klagte gegen die sich aus der Allgemeinverfügung der Region Hannover vom 26.10.2020 ergebende Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (Maskenpflicht) für das Gebiet der Region Hannover in Ladengebieten, Einkaufszentren und Einkaufsstraßen. Und das VG Hannover hat dem Eilantrag stattgegeben.
Es bestanden für die VG-Richter erhebliche Zweifel an der konkreten Ausgestaltung dieser Allgemeinverfügung, insbesondere im Hinblick auf deren Bestimmtheit. Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dazu muss die getroffene Regelung so vollständig, klar und unzweideutig sein, dass für die Adressaten ohne weiteres erkennbar wird, was genau von ihnen gefordert wird, damit sie ihr Verhalten entsprechend danach ausrichten könnten. Hier waren die Örtlichkeiten mit Maskenpflicht nicht konkret benannt worden. Was gilt als "Einkaufsstraße", was als "Ladengebiet" oder "Einkaufszentrum"? Aber Achtung für all jene, die nun geneigt sind, sich von ihrer Maskenpflicht entbunden zu fühlen: Die gerichtliche Entscheidung war nur für Antragsteller gültig!
Hinweis: Behördliche Maßnahmen müssen stets konkret genug sein. Schließlich müssen die Bürgerinnen und Bürger wissen, was von ihnen verlangt wird. Zudem sind die Maßnahmen auf ihre Verhältnismäßigkeit hin zu überprüfen. Sollten Sie ein Bußgeld wegen eines Verstoßes gegen eine Coronaschutzmaßnahme erhalten haben, sollten Sie diesen Bescheid von Ihrem Rechtsanwalt prüfen lassen.
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 01/2021)